|
Studien zur Aktualität der marxschen
Kapitalkritik
|
|
|
Vorbemerkung (2014): Ich plane in der mir verbleibenden Lebenszeit – bin seit Herbst 2012 in Rente - eine größere theoretische Arbeit. Ob Gesundheit, Energie und Motivation noch reichen, um daraus ein Buch zu machen, das weiß ich nicht. Weil das so ist, will ich einzelne Manuskripte, Thesen und Materialien auf jeden Fall vorab im Internet veröffentlichen. Immerhin ist es möglich, dass das den einen oder die andere interessiert. Plan eines Buches
So sieht momentan der Plan aus. Die Manuskripte, die ab jetzt in loser Folge auf dieser Homepage erscheinen werden, sind nicht immer eindeutig den einzelnen inhaltlichen Punkten des Plans zuzuordnen. Es handelt sich um Arbeitsmanuskripte. Die Themen werden sozusagen „eingekreist“, es wird Überschneidungen und Wiederholungen geben. Die in kürzeren oder längeren Zeitabständen veröffentlichten Manuskripte werden eine Mixtur sein aus rein logischer Entwicklung, Verarbeitung allgemein zugänglicher empirischer Daten und persönlicher Erfahrung. Sie erzählen auch eine Geschichte. Die Reihenfolge der Veröffentlichung wird sich nicht halten an die Reihenfolge des Planes und es kann sein, dass der Plan selbst sich noch ändert. Ausgangspunkt für die Kritik der Politischen Ökonomie waren für Marx und Engels der in der philosophischen Auseinandersetzung gewonnene „historische Materialismus“, wie er sich in der Schrift „Deutsche Ideologie“ niederschlägt, und die Beschäftigung mit den sozialen Zuständen ihrer Zeit, wie sie sich in der Schrift von Engels „Zur Lage der arbeitenden Klasse in England“ ausdrückt. Mein Ausgangspunkt sind die Theorien von Marx und Engels, ferner Arbeiten von Paul Mattick und Henryk Grossmann, aber auch meine Erfahrungen in und mit dieser Gesellschaft, mit der kapitalistischen Produktionsweise, wie sie sich nach dem 2. Weltkrieg entwickelt hat. Was das Ganze auf jeden Fall nicht werden soll, ist ein Werk, dass „akademisch-wissenschaftlichen“ Anforderungen genügt. Die sind mir ziemlich egal. Ob die Ergebnisse, zu denen ich gekommen bin und komme, der kritischen Überprüfung standhalten, wird sich zeigen … sofern jemand es für nötig hält, sich damit zu beschäftigen und darauf einzugehen.
Für viele
Revolutionäre von heute wird manches, was ich zu sagen habe, eine
Zumutung sein. (Sofern sie über diese Texte stolpern sollten.) Vor
allem wegen meiner Bewertung des „Reformismus“. Das Wort setze ich
deshalb in Anführungsstriche, weil manche Revolutionäre vom
Jagdfiber auf „Reformisten“ geplagt werden, gern nach „objektiv“
reformistischen Einstellungen und Vorschlägen suchen. Ist das
Etikett „Reformist“ erfolgreich aufgeklebt, hat man seine Aufgabe
schon fast erfüllt. Solche Revolutionäre sind weder Willens noch in
der Lage zu differenzieren zwischen dem, was der Sozialreformismus
geleistet und was er verbrochen hat. Ausgangspunkt für meine Bewertung ist weder der „historische Beruf der Arbeiterklasse“ der mit den Produktionsverhältnissen vorgegeben sei, noch die „schändliche“ ideologische Beeinflussung von LohnarbeiterInnen durch den Sozialreformismus. Ausgangspunkt sind für mich die tatsächlichen, erfahrbaren Veränderungen/Verbesserungen in den Arbeits- und Lebensbedingungen von LohnarbeiterInnen, nicht deren Denken und Handeln. Schaut man sich die Arbeits- und Lebensverhältnisse von LohnarbeiterInnen in hoch entwickelten kapitalistischen Ländern etwas näher an, dann wird schon deutlich, dass manch Anlass, der die Leute früher zur Rebellion trieb, weggefallen ist, wegen der sozialen Reformen. Berücksichtigt man ferner, welche Entwicklung es mit dem „Kommunismus“ genommen hat, dann sollte es eigentlich auch nicht zu schwer fallen zu verstehen, warum „das Proletariat“ in einem Land wie Deutschland nicht als „revolutionäre Klasse“ in Erscheinung tritt. Der früher vor allem von der Sozialdemokratie in Partei und Gewerkschaften repräsentierte Sozialreformismus hat im Kontext der Bekämpfung des traditionellen Kommunismus der ArbeiterInnenbewegung und der „Systemkonkurrenz“ mit dem „Realsozialismus“ seinen Einfluss auf andere staatliche und nichtstaatliche Organisationen (Sozialverbände der Kirchen, Paritätischer Wohlfahrtsverband, Organisationen des staatlichen „Arbeitsschutzes“, Berufsgenossenschaften, Verbraucherschutzorganisationen etc.) entwickelt, bis hinein in konservative bürgerliche Parteien. Über all diese Organisationen wurde sozialreformerischer Einfluss ausgeübt auf den Staat, was sich letztlich ausdrückte in Gesetzen, Verordnungen etc. und die gesellschaftliche Praxis veränderte. Generell hat sich auf diese Weise die gesellschaftliche Einflussnahme auf die kapitalistische Privatproduktion erhöht. Die erfolgreiche sozialreformistische Beeinflussung der kapitalistischen Gesellschaft geschieht jedoch immer unter dem Vorbehalt, erfolgreiche Kapitalverwertung nicht zu verhindern. Ist die Kapitalverwertung in Frage gesellt, so wird der Sozialreformismus in Frage gestellt. Auch von den Sozialreformisten selbst!! Das lässt sich an der Entwicklung nach der Weltwirtschaftskrise 1974/75 ablesen. Mit dem Ende des Nachkriegsbooms endeten auch die sich ausdehnenden Spielräume für Sozialreformismus. Seit dieser Krise beinhaltet das Wort „Reform“ eine praktische Kampfansage an die LohnarbeiterInnen, ist ihr Inhalt geprägt von Anpassung der „Rechtsansprüche“ von LohnarbeiterInnen an die Erfordernisse der Kapitalverwertung. Das Versprechen des Sozialreformismus lautet: Anpassung der Kapitalverwertung an die Interessen von LohnarbeiterInnen. So auch tatsächlich realisiert etwa in der Adenauerschen Rentenreform von 1957 – die ihm einen grandiosen Wahlsieg brachte - , oder dem Gesetz zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für alle LohnarbeiterInnen von 1969. Dieses Versprechen wird schon lange nicht mehr eingehalten und die Agenda 2010 ist ein offenes Dementi auf dieses Versprechen. Aus meiner Sicht ist das ein Angebot an Sozialrevolutionäre, die Themen „zu besetzen“, mit denen der Sozialreformismus punkten konnte, und sie im Kontext des Projektes sozialer Emanzipation zu bearbeiten. So wie kommunistische und anarchistische Sekten aber aufgestellt waren und sind, kann dieses Angebot unmöglich aufgegriffen werden. Von daher bin ich zutiefst pessimistisch in Bezug auf die Perspektiven der nächsten Zeit. Die sich anbahnende und vielfach bereits eingetretene schroffe Zuspitzung der ökonomischen Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise mit ihren sozialen Folgen findet statt ohne auf eine „soziale Gegenmacht“ zu treffen und diese „soziale Gegenmacht“ (Stichwort des kommunistischen Manifests: „Parteibildung des Proletariats“) kann niemals ausschließlich das Produkt einer spontanen Gegenbewegung sein, auf die viele Revolutionäre hoffen und warten. Damit eine solche „soziale Gegenmacht“ entstehen kann muss es zu grundlegenden Veränderungen in der „radikalen Linken“ kommen – theoretisch und praktisch. Zu dieser Veränderung möchte ich in der mir verbleibenden Zeit mit meinen theoretischen Bemühungen einen kleinen Beitrag leisten. Gelingt das nicht, sind meine Bemühungen umsonst, dann kann ich auch damit leben. Robert Schlosser, im März 2014
|
|